Santiago de Compostela – die Furcht vor dem Ankommen

Seit zwei Tagen ist er unübersehbar – der Jakobsweg. Je näher wir Santiago de Compostela kommen, umso zahlreicher werden die Hinweisschilder auf den Pilgerweg entlang der Straße. Seit der portugiesischen Grenze am Riu Minho führt der Camino Portugais entlang der Nationalstraße N550 Richtung Santiago. Viele Pilger sehen wir zu dieser Jahreszeit und auf dieser nicht so beliebten Strecke nicht mehr. In Santiago dagegen treffen wir vermehrt auf sonnengebräunte, in Outdoor-Sportkleidung gehüllte Wanderer mit groooooßen Rucksäcken in den Cafés und vor allem auf dem Platz vor der Kathedrale. 

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In kleinen Gruppen stehen sie hier beieinander und tauschen sich nochmal wortreich über ihre Erlebnisse aus. Überraschend für mich viele junge Leute um die 20 Jahre, aber auch einige Wanderer im Rentenalter. Ein Mann sitzt mit ausgestreckten Beinen an die Pfeiler des Pazo de Raxoi gelehnt und schaut die ganze Zeit entspannt auf die gegenüberliegenden Kathedrale und die Szenerie auf dem Platz. Sportkleidung und Wanderstab weisen ihn offensichtlich als Pilger aus. Was ihm wohl durch den Kopf geht?

Sicher durchlebt er nochmal das Wechselbad der Gefühle auf dem Camino. Die Anstrengung des Wanderns, die Freude, dem Ziel näherzukommen, vielleicht aber auch die Furcht vor dem Ankommen. Dieses Gefühl, wenn man dem Ziel immer näher kommt, und sich gleichzeitig bewusst wird, dass mit der Ankunft der Weg endet und etwas Neues anfängt. Da werden nochmal Pausentage eingestreut, da wartet man nochmal auf neugewonnene Reisebekannte, sprich man versucht alles, um Zeit das Ankommen auszudehnen

In diesem Punkt sind sich der Pilger und ich sehr ähnlich. Die lange Reise neigt sich nun schnell dem Ende entgegen. Während ich dies schreibe, sind es noch 2.300 km bis zuhause. Da erwische ich mich schon des Öfteren, an schönen Orten übernachten zu wollen, obwohl wir unser Tagespensum noch nicht erreicht haben. Oder unbedingt surfen zu wollen, oder oder oder… Und ähnlich vielen Wanderern auf dem Jakobsweg hat diese Langzeitreise zwar ein geografisches Ziel, ist aber in erster Linie eine Suche. Vieles hat sich für mich gefunden, doch längst noch nicht Alles. Trotzdem wird mit unserer Rückkehr ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Und davor habe ich ganz schön Respekt.

Chapeau, Pilger. Du hast den Camino geschafft! Ob Du wirklich so gedacht hast, bleibt Dein Geheimnis, aber ich könnte es gut nachvollziehen.

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